Identität 2.0

Es hat eine Weile gedauert, bis Soziologen und Psychologen angefangen haben, sich ernsthaft zu fragen, wie das Internet als Medium seine regelmäßigen Nutzer beeinflusst. Überhaupt hat es schon eine ganze Weile gedauert, bis einige von ihnen dem Internet diese Macht überhaupt zugestanden haben. Wie kann etwas, dem wir täglich mehr als eine Stunde Aufmerksamkeit widmen, ohne Auswirkungen auf unsere Persönlichkeit bleiben? Gar nicht.

Facebook hat Suchtpotenzial. Junge US-Amerikaner verbrachten im Juni 2009 bereits sieben Mal soviel Zeit auf der Plattform, wie im gleichen Vorjahreszeitraum. Das ist viel. Anscheinend mögen sie sich, wie sie dort sind, und bekommen dort etwas, was woanders schwerer zu holen ist. Aufmerksamkeit etwa.
Die deutsche Psychologin Claudia Clasen-Holzberg sagte mir etwa bei der Recherche zu dem Text über Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken: „Wir neigen dazu, die Unterhaltungen auf Facebook einer echten vorzuziehen.” Weil es einfacher ist. Facebook simuliere Gespräche, wo keine stattfänden. Es vermittelte den Eindruck, mit Menschen im Austausch zu stehen, in Wahrheit aber erhalte man nur »Fast-Food-Feedback«. »Eine leicht verdaubare Version von Kommunikation«, sagt Clasen-Holzberg. Wir alle betreiben diese schnelle Kommunikation; bleiben unmissverständlich, liebenswürdig, kohärent. Was wir posten, ist nicht immer genau das, was wir denken oder was wir sind – sondern eine Demoversion im Sinne der allgemeinen Verdaulichkeit.

Verändert das auch unseren Offline-Charakter? Werden wir oberflächlicher, weil wir online so gute Erfahrungen damit gemacht haben?

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