Rasiermesserscharfe Solos in Zürich – Slash rockt das X-Tra

Guns `n`Roses waren eine Dekade lang so ziemlich das Coolste, was im Rockuniversum herumgeisterte. Umjubelte Tourneen, Platten, die mehrfach mit Platin ausgezeichnet wurden, dazu eine Handvoll Songs, die noch heute Kult sind, und Videos, die mit an Hollywood orientierter Optik glänzten. Wer erinnert sich nicht, wie Slash im Video zu November Rain theatralisch auf den von Axel Rose bespielten Flügel steigt, keine Miene verzieht, sich in Pose wirft, seine Gitarre nach oben reisst und mitten im opulent ausgestatten Theater irgendwo in Downtown L.A. durch ein rasiermesserscharfes Solo in den letzen Teil des Songs einführt. Grosses Kino. Doch auf dem Zenit war Schluss. Guns `n`Roses lösten sich auf.

Slash, der bürgerlich Saul Hudson heisst, konzentrierte sich in der Post-Guns-`n`-Roses-Ära auf sein Gitarrespiel und nahm sich Zeit, um die Entscheidung zu treffen, wie es für ihn musikalisch weitergehen sollte. Er gründete Slash’s Snakepit, tingelte eine Weile durch die Welt und veröffentlichte zwei Alben. 2001 war auch die Schlangengrube Geschichte. Ein Jahr nach der Auflösung Band gründete Slash mit Scott Weiland von den Stone Temple Pilots, Dave Kushner sowie den ehemaligen Mitgliedern von Guns `n`Roses, Duff McKagan und Matt Sorum, die Gruppe Velvet Revolver. Diese gibt es heute noch, man macht aber momentan Pause. Darum ist Slash gerade solo unterwegs. Kürzlich erschien sein erstes Soloalbum, das er schlicht nach sich selbst benannt hat.

Wenn Slash ruft, dann strömen die Musiker aus allen Löchern. Die Liste der Gastmusiker auf dem Album Slash liest sich wie ein Who is Who der Musikgeschichte. Iggy Pop, Ozzy Osbourne, Dave Grohl, Ian Astbury oder Lemmy Kilmister, um nur einige Beispiele zu nennen. Aber auch die nächste Generation ist gut vertreten und zwar durch Chris Cornell, Andrew Stockdale oder Fergie. Letztere darf sich sogar am Klassiker Paradise City versuchen. Doch leider wird Slash keinen der erwähnten Namen dabei haben, wenn er im Juni im X-Tra spielt. Allerdings kommt er nicht mit leeren Händen. Myles Kennedy wird den Lockenkopf begleiten. Kennedy ist hauptberuflich Sänger bei Alter Bridge und ergänzt sich wunderbar mit Slash. Das werden sie in Zürich bestimmt unter Beweis stellen. Und wer weiss, vielleicht zaubert Slash, als Referenz an seine Vergangenheit, den einen oder anderen Guns `n`Roses-Klassiker aus dem Zylinder.

Slash spielt in Zürich das einzige Konzert in der Schweiz. Eine rare Gelegenheit den Kult-Gitarristen live zu erleben.

Slash – Live im X-Tra, Zürich – 16. Juni 2010

Tickets gibt es beim Ticketcorner.
Und last but not least: Slash’s Homepage.

“You’re using someone else’s poetry to express how you feel.”

Mein Abend wurde zu einem Medley der verflossenen Liebschaften, und endete damit, dass ich, den kalten Wind im Gesicht, weinend über die Hardbrücke lief und Al Greens Let’s Stay Together sang. Wer dieses Lied nicht kennt ist ein Vollidiot und muss mich nicht mal mit einem Auge anschauen.

Al Greens Let’s Stay Together ist nämlich in meinen Top five songs to cry to. Ebenfalls darauf vertreten ist Sheryl Crows – I Shall Belive, welches man nicht zwingend kennen muss, da es auch mir eher per Zufall entgegen kam. Peter Gabriel mit In Your Eyes hingegen, muss man kennen. 1989. John Cusack im Film “Say Anything..” Sie verlässt ihn und er stellt sich mit einem Kassettenrecorder Spätabends unter ihr Schlafzimmerfenster und lässt Peter mit In Your Eyes für sich sprechen.

In your eyes, the light, the heat, I am complete.” Wie fucking schön ist das denn?

Welcher Mann würde nur im Traum daran denken, sich unters Fenster zu stellen? Geschweige denn mit einem Peter Gabriel Tape! Den einzigen Song, den der Mann von heute nämlich mitsingen kann, ist wohl: Move Bitch oder Textzeilen wie “I wanna lick you from your head to your toes“, wo ich dann im gleichen Atemzug Leela James zitieren muss: “Can’t even turn on my radio without somebody hollerin ’bout a bitch or a hoe.

Die Welt ist momentan ein schrecklicher Ort. Ein schrecklicher Ort mit gefühlloser Musik, und niemandem, mit dem man sich darüber aufregen kann. Zumindest niemand vergleichbarem. Und ich könnte jetzt sagen: The 13th Floor Elevators You’re Gonna Miss Me. Aber ich weiss, dass es nicht so ist, und ich wünschte, dass es bei mir nicht so wäre.

“I got a first class ticket, but i’m as blue as a girl can be.” Marc Cohen Walking In Memphis. Stell mir mal bitte jemanden hin, der die Bedeutung dahinter versteht. Alle sind sie dumm. Und ich will die Zeit zurück. Ich will das Gefühl zurück, wenn schon nicht dich. Gib mir einfach jemanden, der mit mir John Waite hört, ‘cause I ain’t missing you at all, since you’ve been gone away. I ain’t missing you, no matter what my friends say. I ain’t missing you, I can lie to myself.

You’re using someone else’s poetry to express how you feel.High Fidelity.

Ein Buch. Zum lesen. Wow.

“Psychotische Reaktionen und heisse Luft” von Lester Bangs gibt es endlich auch in deutscher Übersetzung. Im Vorwort erklärt Greil Marcus, warum kein anderer Rockjournalist jemals diese “Ein-Mann-Orgie der Heimmungslosigkeiten, Exzesse, Weisheiten, Satire, Parodie” überbieten kann, und die ausgewählten Essays bestätigen das natürlich.

Wie Bangs – oft gnadenlos und ohne jeglichen blöden Objektivitätsanspruch – Bands abwatscht oder feiert, ihren Mythos demontiert oder zelebriert, ist auch 27 Jahre nach seinem Tod noch spektakulär. In “James Taylor: Vom Tod gezeichnet” rechnet er in einem Aufwasch mit “Easy Rider” (“Langweiler”), den Backstage-Schnorrern von L.A. und “alten Typen” wie Chuck Berry ab, um sich dann der Fantasie hinzugeben, wie er James Taylor ermorden könnte.

Bangs’ Aufsätze über Lou Reed und Punk sind mindestens ebenso spannend, wenn auch nicht alle gleich gut übersetzt. Manches hat im Laufe der Jahre eben doch etwas Patina angesetzt. Und man muss ihm auch nicht immer Recht geben. Doch Lester Bangs hatte zumindest immer, immer eine Meinung.

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